1. Akt “kommt schon, wozu eigentlich anfangen!?”
Noch vor der Verlesung der Anklageschrift beantragte eins der Angeklagten, die Anklageschrift nicht verlesen zu lassen und die Hauptverhandlung direkt zu beendigen. Grund ist ein Strafbefehl, welcher nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Da dies bei den drei weiteren Angeklagten auch der Fall ist, schließen sich alle dem Antrag an.
Der Befehl einer angeblichen Strafe nachzukommen, beinhaltet eigentlich gar keine genauen Angaben was den Angeklagten vorgeworfen wird. Klar, es wird von einem §21 VersG geredet, allerdings nicht weiter ausgeführt welches dieser drei Tatbestände (Vereitelung, Gewaltsames handeln oder grobe Störung) oder ob alle drei den Angeklagten vorgeworfen werden.
Die Staatsanwaltschaft, vertreten eines Lakais der eigentlichen Staatsanwältin welche allerdings im Urlaub war, weißt die Fragen und Aufforderungen zur Konkretisierung der Anklage zurück. Da dann der Richter der Meinung ist, dass der Strafbefehl gesetztesmäßig sei, darf das Theaterstück nun seinen weiteren Lauf nehmen und Staatsanwaltschaft verliest 4mal den genau gleichen Text. Auf künftige Fragen was genau die Staatsanwaltschaft nun den Angeklagten vorwerfen würde, verweist
diese immer nur auf das Urteil des Gerichts: dass der Strafbefehl rechtskräftig sei.
2. Akt: “naja wenn ihr wollt, dann machen wir auch”
In der ersten Einlassung die wir hören durften, geht Mensch auf die rechtsraschon dikalen Hintergründe des “Aufmarsches in Gedenken der toten der Rheinwiesenlager” in Remagen ein, erzählt über dessen Historie und die Verbindungen der Teilnehmenden und Organisatoren in die rechtsradikale Szene. Auch wird eine Rede des Versammlungsleiters abgespielt, welche 2019 auf einer Zwischenkundgebung gehalten wurde. In dieser redet der NeoNazi von den ganzen Antifaschist*innen die sich an diesem Tag
ihnen in den Weg gesetzt, gestellt, gehangen haben und dass sie dennoch ihre Veranstaltung abhalten, sich davon nicht beirren oder stören lassen. Auch droht er ganz klar offen mit Gewalt.
Zwischenakt: “jetzt mal ehrlich, das hätten wir auch gleich lassen können”
Die richtende Person stellt nun klar, dass wenn überhaupt irgendeiner der Tatbestände in Frage kommen würde, dann nur die grobe Störung. Wonach, welch Überraschung, auch die Staatsanwaltschaft nur noch darüber redet.
Allerdings stellt der Richter auch gleich klar, dass nach dem Stand der Dinge er auch diesen nicht erfüllt sieht. Hauptsächlich, da die Versammlung “nachhaltig beeinträchtigt” sein muss. Und wie eins unschwer in der so aufmüßpfigen Rede des Nazis raushören kann, fühlten die sich mal gar nicht beeinträchtigt.
Nein, sie prahlen sogar damit, dass sie sehr wohl auch unter den in den Bäumen hängenden Antifaschist*innen durchgelaufen wären. Was auch den zweiten Punkt außer Kraft setzt. Nämlich, dass die Versammlung “existenziell gestört” sein muss. Nach einer Entscheidung des LG Braunschweig gilt dies nur, wenn die Straße komplett blockiert ist.
Mal wieder ein sehr schönes Zeichen dafür, dass Mackerei einem selber manchmal mehr schadet!
Trotz all dieser Argumente beharrt die Staatsanwaltschaft auf ihrem Urteil. Es stellt sich allerdings heraus, dass der Oberamtanwalt, welcher gar nicht mal Jura studiert hat, selber die Akte nie gesehen und gelesen hat und rein auf Befehl agiert. Kann eins sich natürlich mal wieder fragen, ob Hierarchien und so tatsächlich sinnvoll sind. Aber naja..hat der irgendwie nicht geschafft.
Fortführung 2. Akt
Nachdem klar war, dass Staatsanwaltschaft mal wieder nicht von ihrer Neutralität gebrauch macht, sondern sich nur auf eine Verurteilung fokussiert, durfte der Prozess weiterlaufen, anstatt allen Zeit und Energie zu sparen und einfach gleich einzustellen.
Also durfte die nächste Person sich äußern und Trug einen Text vor, gespickt mit verschiedenen Zitaten der Holocaust-Überlebenden und Antifaschistin Esther Bejarano, welche anderthalb Wochen vor dem Prozess verstarb. Spätestens jetzt wurde dem Richter klar, dass es in diesem Prozess nicht um die Rechtsprechung gehen sollte sondern vor allem auch darum, den antifaschistischen Kampf weiterzuführen.
3. Akt “Vielen Dank für die Blumen!”
– die Bullenvernehmung Im folgenden Akt ist häufig von einer ungewissen Anzahl an Eimern mit unbekanntem Inhalt die Rede, einem Banner auf dem “Kackscheiße” oder auch “Kackstraße” gestanden haben könnte und welches von der Größe her zwischen 5m und 1,5m variiert. Es wird ein Antrag auf Isolierung der Zeug*innen gestellt, damit diese sich nicht absprechen können. Er wird abgelehnt, da es wohl nicht die notwendigen Mittel zur Umsetzung gibt. Auftritt von dem ersten Hauptkomissar und dem Einsatzleiter (welcher ganz Stolz auf seine neue Stelle bei der Mainzer Spezialeinheit ist – was ziemlich sicher schonmal ncihts mit klettern zu tun haben kann).
Auf Grundlage dieser Gegenstände haben sich die Cops dann auf einmal entschieden, dass es ihnen doch zu gefährlich sei, die Demo an den Bäumen vorbeilaufen zu lassen. Wohl ziemlich zum Unmut der Versammlungsleitung, die wollten einfach weitergehen meinten sie. Komisch nur, dass auf einmal dieser Umschwung in der Entscheidung kam. Denn Seile waren bereits gespannt, bevor der Zug loslief. Eimer hätten auch schon zu sehen sein müssen und das Banner hat eindeutig auf den Boden gezeigt (mit einem zugehörigen Pfeil) und war wohl eher an die Nazis als “Braune Kackidioten” adressiert, als an einen Eimer.
Auch redeten sie häufig davon, dass die Stimmung der Aktivisti eher sehr entspannt war und sie daher gar nicht von einer Gefahr ausgehen würden.
Von der Verteidigung wurde der Einsatzleiter gefragt, ob er die örtlichen Begebenheiten kennen würde und lies sich eine kleine Skizze aufzeichnen. Damit wäre auch klar, dass dem Einsatzleiter auch bewusst war, dass es keine Umleitung über die B9 gebraucht hätte sondern auch andere Straßen möglich waren.
Sehr verwunderlich, und vielleicht auch nicht ganz absichtlich, sagten beide Leitenden Cops damit klar zur verteidigung der Aktivisti aus:
Sie haben nicht mit Gewalt gedroht, die Versammlung hat sich nicht von ihnen gestört gefühlt, dort oben sind sie keine physische Barriere, das Konfetti was in den Eimern war ist ein legitimes Aktionsmittel gegen Naziaufmärsche.
Zusätzlich gab der Hauptkomissar noch zu, dass bei der Personalienfeststellung Schmirgelpapier und Farbverdünner (Aceton) genutzt wurde um die Fingerkuppen freizufeilen – an sich Körperverletzung, wodurch die Aktivisti anspruch auf Schmerzensgeld haben.
Alles in allem konnte sich die Verteidigung damit auch ihre ganzen Beweismittelanträge sparen, da die Cops die meisten Sachen davon eh bereits selber ausgesagt hatten.
Auch auf den Auftritt der 3 weiteren Bereitschaftsbullen konnte dann verzichtet werden, denn nun kommen wir in den vorletzten Akt.
Zwischenakt “oh..wir hätten das ja tatsächlich von vornherein lassen können..”
Wieder einmal legt der Richter bedenken ein. Meint, dass die weiteren Bullen nicht mehr relevantes zur Sache beitragen würden und auf der Grundlage die im Moment besteht er große Bedenken hätte.
Am liebsten würde er das komplett einstellen, denn bei einem Freispruch würde man sich ja wahrscheinlich eh wieder vorm Landesgericht sehen.
Daraufhin kommt der Vorschlag der Verteidigung an die Staatsanwaltschaft, das Verfahren einstellen zu lassen und wenn seine Vorgesetzten dann unzufrieden mit ihm sind und ihm ein Disziplinarverfahren an den Kopf werfen er gerne von ihnen verteidigt werden würde. Bisher der Vorschlag, der beim Publikum
die meiste Zustimmung bekommt. Lakai will sich darauf aber nicht einlassen sondern beharrt auf das abarbeiten des Protokolls.
4. Akt “Oh nein..wir dürfen nicht vom Protokoll abweichen! Zuerst gehört das Lama gestriegelt und dann gebürstet und nicht gebürstet und dann gestriegelt!”
Wohl so ziemlich der schnellste des ganzen blablas. Um auf die Zeug*innen noch zu verzichten und den notwendigen Prozessabläufen nachzukommen – und nicht noch einen Tag Theater zu haben – schlägt die Verteidigung vor, dass die Staatsanwaltschaft anhand der Bilder in den Akten selber die Identifizierung der Aktivisti vornimmt. Erstaunlicherweise mal ein Vorschlag der Verteidigung, auf den sich die
Staatsanwaltschaft einlässt. Offensichtlich hat der auch kein Bock mehr, vergisst nämlich, dass es ja 4 Angeklagte sind und will sich nach der dritten Akte einfach schon wieder setzen.
5. Akt “tja hat doch noch 4 Stunden gedauert”
Das Plädoyer der Staatsanwaltschaft kann man sich ziemlich sparen. Die Verteidigung plädiert bei beiden Punkten auf Freispruch, die OWi wird noch mit Gerichtsurteilen vom BGH und einem anderen, Aktenzeichen unbekannt, begründet. Denn es ist schließlich geltendes Recht, dass eine Angeklagte Person nichts zu ihrer eigenen Strafverfolgung beitragen muss, also auch keine Angabe von Personalien. Und selbst wenn, die Cops einen einbehalten wollen um ihren Identitätsquatsch durchzuziehen, dann ist es
verhältnismäßiger eine Person 12Stunden länger ihrer Freiheit zu entziehen, als sie mit Schmirgelpapier und Aceton die Fingerkuppen aufzuätzen.
Auch geht die Verteidigung noch auf zusätzliche Punkte ein, welche bisher gar nicht behandelt wurden, z.B. dass die Aktion selber auch eine Versammlung sein könnte und damit ganz anders gegen sie hätte vorgegangen werden müssen, dass die Aktivisti sehr wohl gewollt haben könnten, dass die Nazis unter
ihnen durchgehen um ihnen ihre schönen Banner zu zeigen und mit Konfetti zu verschönern. Außerdem darf nicht, nur weil die Polizei sagt “die haben da gestört”, automatisch angenommen werden, dass dem auch so ist – wink auf Staatsanwaltschaft. Zusätzlich wird von einer Anwältin noch in Frage gestellt, ob
die Person die sie vertritt denn nun wirklich die Person aus dem Baum ist.
Bei den letzten Worten der Angeklagten werden anlässlich des 10. Jahrestags vom Attentat auf Utøya und dem 5. Jahrestag vom Attentat in München alle Namen der 86 Todesopfer dieser rechts-terroristischen Anschläge verlesen.
Die richtende Person spricht am Ende alle Angeklagten für den Vorwurf des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz frei. Die Ordnungswidrigkeit der Personalienverweigerung hätte er möglicherweise auch gerne eingestellt, geht aber leider nicht sobald die Staatsanwaltschaft mehr als 100€ Strafe fordert – bescheuert! Scheinbar keine Lust auf noch einen Freispruch, legt er die Urteilssprüche des BGH anders
aus und entscheidet auf 250€ Strafe pro Kopf. Zusätzlich gibt er noch ein paar Worte seiner persönlichen Meinung dazu. Zum einen findet er zwar, dass ein Gerichtssaal nicht für die öffentliche Meinungskundgabe ist, aber er stellt seinen dem trotzdem immer gern zur Verfügung – also liebe Freunde viel Spaß beim nächsten mal! Dann gibt es noch ein Lippenbekenntnis zum antifaschistischen Kampf, im Prozessverlauf kommt das eher zur Geltung wo er selber die Nazis als “Nazis” und “Faschisten” benennt.
Dann lenkt er allerdings noch ein und will sich selber aus der Affäre ziehen, keine moralischen Grundsatzurteile fällen zu wollen, sondern meint dafür seien andere zuständig und er habe nicht die Expertise.
Vorhang zu!
Als Zugabe erwartet die Verteidigung eine Berufung der Staatsanwaltschaft, denn diese schienen ja ziemlich Lust zu haben – vielleicht auch doch auf einen Präzedenzfall!? man kann es nur hoffen!
Daher denkt sich die Verteidigung – ey 250€ für offensichtlich nichts, das geht jawohl nicht dann gehen wir auch in Berufung! Ob noch ein Schmerzensgeld gefordert wird um den unverhältnismäßigen Identifizierungsmaßnahmen gerecht zu werden ist noch nicht klar.